Tonic Function - Text 1


Hubert Godard skizziert in diesem Textauszug eines Selbsthilfekurses grundlegende Gedanken zu Tonic Function.  (deutsche Übersetzung aus dem französischen Original)




"Jeder Aktivität ist ein Orientierungsvorgang in Beziehung zur Schwerkraft vorgeschaltet."


Wenn wir einem Menschen zusehen, wie er mit einer Bewegung beginnt, so sieht das von außen betrachtet so aus, als würde er aus einem völligem Ruhezustand in die Bewegungsaktivität übergehen: Der Fussballstürmer scheint vor dem Anstoß stillzustehen, der Sprinter bewegungslos in den Startblöcken zu verharren und auf den Startschuss zu warten. Der äußere Eindruck täuscht aber darüber, dass vor der sichtbaren Bewegung bereits eine intensive Aktivität abläuft:

Die meisten Elemente, die die Qualität der Bewegung beeinflussen, sind nämlich schon da, bevor die Bewegung sichtbar wird; es gibt bereits eine Aktivität, bevor die Bewegung beginnt. Wir können das die antizipatorische Bewegungsaktiviät nennen.


Wir sind uns allerdings dieser antizipatorischen Aktivität nicht bewußt. Und deshalb bleiben wir unwissentlich in unseren Angewohnheiten gefangen, weil diese antizipatorischen Aktivitäten in unserer Bewegung gegenwärtig sind, ohne dass uns das auch nur im Geringsten klar ist.

Um ein Beispiel zu geben: Sobald wir aufstehen und den Arm nach vorne anheben, ist es die Muskulatur des Unterbeins im Bereich der Wade, die zuert aktiv wird. Natürlich sind wir uns der Muskelaktivität in der Wade nicht bewußt, wir bemerken es gar nicht, wie sich dort die Muskeln anspannen, trotzdem aber wird dadurch die Qualität unserer Armbewegung beeinflusst.


Die Präzision der Armbewegungen ist abhängig von Aktivitäten, die vorab in anderen Körperteilen ablaufen, um den Körper in der Orientierung der Schwerkraft zu halten: würde nur der Arm ohne die Muskelaktivität im Unterbein aktiv sein, würden wir schon zu Beginn der Armbewegung vornüberstürzen.

Und es gibt neben diesem Vorgang noch zwei andere Faktoren, die die Bewegung präzisieren - die feinmotorische Abstimmung der Bewegung, die von unseren "Haltemustern" bestimmt ist, und ein Einflussfaktor auf psychischer Ebene. Wenn mir eine bestimmte Handlung aus welchem Grund auch immer verboten ist, wird es dann auch die antizipatorische Aktivität oder die Aktiviät der Haltungsmuskeln sein, die meine Bewegung einschränkt ...


... Wenn die antizipatorischen Aktivitäten nun tatsächlich eine so grosse Rolle spielen, fragt es sich natürlich, wie man in dieses Geschehen eingreifen kann.

Diese Frage führt zu dem Kernbegriff "Wahrnehmung" und speziell zu der Wahrnehmung, die der Orientierung dient. Wir müssen uns in die antizipatorischen Muster einschalten. Um in die relevante Aktivität bereits vor der sichtbaren Bewegung zu kommen, sollten wir den Klienten helfen, ihren Orientierungssinn bezüglich der Schwerkraft zu schärfen.


Die antizipatorischen Aktivitäten sind von unseren sinnlichen Angewohnheiten abhängig, von der Art, wie wir Informationen auswählen, die von der Umgebung und von unserem Körper in dieser Umgebung kommen.

In diesem Sinn ist die Wahrnehung ein aktiver Akt. Der dauerhafte Charakter unserer psychischen Einzigartigkeit wird unterstützt vom dauerhaften Charakter unserer Angewohnheiten, die wir mit der Aktivität unserer Sinne entwickeln. Diese Angewohnheiten werden im Laufe der Zeit durch unsere Geschichte und unseren kulturellen und sprachlichen Kontext geformt.

Unsere Fähigkeit des gestischen Ausdrucks steigert sich auf der Basis der verbesserten sensorischen Dynamik und Wahrnehmungsweise, womit wir ein breiteres Handlungsspektrum haben.

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(aus Verbesserung der sensorischen Dynamik - Ein Selbsthilfekurs über Bewegung und Schwerkraft, Hubert Godard, in Alles im Lot - Eine Einführung in die Rolfingmethode, Peter Schwind)

Tonic Function

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        Praxis Mag. Adrian Faber   |   Rolfing® • Faszienbehandlung • Embodiment   |   4020 Linz   |   Herrenstraße 20   |   0699 19 63 07 07